Gedanken zum Monat

Vom König der Herrlichkeit

aus Gemeindebrief 12/2016, 01/2017

Die Advents- und Weihnachtszeit ist eine Zeit der Geschichten und Legenden:
„Es war einmal …“ – ein besonders harter Winter im Jahr 1945. Sogar die Orangenbäume froren, so schreibt es der moderne Märchenerzähler Rafik Schami.
Der aus der christlich-aramäischen Minderheit in Syrien stammende Schami erzählt in dieser Weihnachts-geschichte:
Ein Pfarrer pflegte im Weihnachts-gottesdienst an das Portal seiner Kirche zu klopfen. So wollte es die Tradition in der Gemeinde. Der Kirchendiener stand drinnen auf der anderen Seite der Tür und sollte fragen: „Wer klopft an die Tür?“ – „Hier ist der König der Herrlichkeit!“, antwortete der Pfarrer.
Was für ein Besuch! Es klopft an der Tür oder mein Telefon klingelt: „Hallo?“ – „Hier ist der König der Herrlichkeit!“ – „Wow!“, denke ich, endlich sind wir mal beisammen … Vom König der Herrlichkeit erwartet man etwas. Von ihm soll Glanz für mein Leben ausgehen.
Nun war der Kirchendiener vom Pfarrer nicht immer gerecht behandelt worden. Daran erinnerte er sich in dieser besonders kalten, eisigen Weihnachtsnacht. Und als der Pfarrer wie gewohnt „Der König der Herrlichkeit“ geantwortet hatte, rief der Kirchendiener aus der warmen Kirche: „Wer? Ich höre nicht! Wer klopft da?“ So ging es eine ganze Weile. Der Kirchendiener blieb taub, der Pfarrer fror. Bis irgendwann die Tür geöffnet wurde, der Pfarrer in die Kirche stürmte und den Kirchendiener beim Kragen packte: „Bist du schwer-hörig?“, rief er, „der König der Herrlichkeit! Herrrrrrlichkeit!“
Und in der Gemeinde erklang ein fröhliches Gelächter. Selbst die fromme Tante Jasmin lachte Tränen. Nur der Pfarrer blickte etwas ver-schämt zum Boden.
Wenn der König der Herrlichkeit uns ent-gegenkommt, dann schauen wir genau hin. Und unser Lachen entblößt jede falsche Maske und jede Scheinheilig-keit.
„Fröhlich“ ist im Alt-hochdeutschen ver-wandt mit „Frosch“, mit „springen, hüp-fen vor Freude“. Und wer zu Weihnachten „Macht hoch die Tür“ singt und vom „Herrn der Herrlichkeit“, der bringt viel von dieser ausge-lassenen Fröhlichkeit mit. Ein Weih-nachtsfest voll sprühender Lebendig-keit, so soll es sein: Dass es aus uns heraussprudelt und dass wir andere anstecken …
Es könnte sein: Der König der Herrlichkeit klopft in dieser vorweih-nachtlichen Zeit an die Pforte unseres Herzens. Heißen wir ihn doch dann herzlich willkommen und öffnen ihm schnell die Tür …
Ihr Pfarrer Michael Rohde

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